2011/12/2 13:27:00 浏览:896 来源:天津家教网
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Inhalt
Vorwort
I Planung
II Über die Kriegführung
III Das Schwert in der Scheide
IV Taktik
V Energie
VI Schwache und starke Punkte
VII Manöver
VIII Taktische Varianten
IX Die Armee auf dem Marsch
X Terrain
XI Die neun Situationen
XII Angriff durch Feuer
XIII Der Einsatz von Spionen
Vorwort
Sunzi schrieb dieses außergewöhnliche Buch vor zweieinhalbtausend Jahren in China. Es
beginnt mit den Worten:
Die Kunst des Krieges ist für den Staat von entscheidender Bedeutung. Sie ist
eine Angelegenheit von Leben und Tod, eine Straße, die zur Sicherheit oder in
den Untergang führt. Deshalb darf sie unter keinen Umständen vernachlässigt
werden.
Es schließt mit den Worten:
So wird der erleuchtete Herrscher und der weise General die Intelligentesten
seiner Armee als Spione einsetzen und auf diese Weise hervorragende Erfolge
erzielen. Spione sind ein äußerst wichtiges Element des Krieges, denn von ihnen
hängt die Fähigkeit der Armee ab, sich zu bewegen.
Ich bin der Überzeugung, daß unsere militärischen und politischen Führer der jüngsten
Vergangenheit dieses geniale Werk hätten studieren sollen, denn dann wäre in Vietnam nicht
das passiert, was passiert ist; wir hätten den Koreakrieg nicht verloren (wir haben ihn
verloren, weil wir nicht den Sieg errangen); das Desaster in der Schweinebucht wäre nicht
geschehen; es wäre nicht zum Geiseldrama im Iran gekommen; das britische Empire wäre
nicht verstümmelt worden; und aller Wahrscheinlichkeit nach wären die beiden Weltkriege
vermieden worden - mit Sicherheit aber wären sie nicht geführt worden, wie sie geführt
wurden, und die Millionen junger Menschen, die von Ungeheuern, die sich Generäle nannten,
so unnötig und unüberlegt in den Tod geschickt wurden, hätten ihr Leben leben können.
Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen
Kampf zu brechen.
Ich finde es erstaunlich, daß Sunzi vor fünfundzwanzig Jahrhunderten so viele Wahrheiten
schrieb, die heute noch gültig sind - besonders in dem meiner Meinung nach
außergewöhnlichen Kapitel über den Einsatz von Spionen. Ich glaube, dieses kleine Buch
zeigt deutlich, was heute noch falsch gemacht wird und warum unsere heutigen Gegner in
manchen Gebieten so erfolgreich sind. (Sunzi ist in der politisch-militärischen Hierarchie der
Sowjetunion Pflichtlektüre; das Buch ist seit Jahrhunderten in Rußland erhältlich, und es ist
auch, beinahe Wort für Wort, die Quelle von Mao Tse-tungs Schrift über die militärischen
Prinzipien der chinesischen Roten Armee.)
Für noch wichtiger halte ich die Tatsache, daß Die Kunst des Krieges recht deutlich zeigt, wie
man die Initiative ergreift und den Feind bekämpft - jeden Feind.
Sunzi schreibt: Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den
Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.
Ähnlich wie Machiavellis Der Fürst und Miyamoto Musashis Das Buch der fünf Ringe zeigen
auch Sunzis hier wiedergegebene Einsichten den Weg zum Sieg bei allen geschäftlichen
Konflikten, bei Schlachten im Aufsichtsrat und im alltäglichen Kampf ums Überleben, in den
wir alle verwickelt sind - sogar im Kampf der Geschlechter! Dies alles sind Formen des
Krieges, und alle folgen denselben Regeln - seinen Regeln.
Zum erstenmal hörte ich 1977 beim Rennen im Happy Valley in Hongkong von Sunzi. Ein
Freund, P. G. Williams, ein Kellner im Jockey Club, fragte mich, ob ich das Buch gelesen
hätte. Ich verneinte, und er erwiderte, daß er mir am nächsten Tag ein Exemplar schicken
wolle. Als das Buch ankam, blieb es zunächst ungelesen liegen. Eines Tages dann, nach
mehreren Wochen, nahm ich es wieder in die Hand. Ich war schockiert, daß ich, obwohl ich
so viel über Asien, besonders über Japan und China, gelesen hatte, noch nie auf das Buch
gestoßen war. Seitdem ist es mein ständiger Begleiter, und es hat meine Arbeit an Noble
House Hongkong so sehr beeinflußt, daß viele Charaktere sich auf Sunzi und sein
Meisterwerk beziehen. Ich halte Sunzis Schrift für einzigartig, und deshalb kam es zu dieser
Ausgabe seines Buches.
Leider ist über den Mann selbst nur wenig bekannt. Wir wissen nicht, wann er die dreizehn
Kapitel niederschrieb. Manche datieren sie auf das Jahr 500 v. Chr., in die Zeit des
Königreichs von Wu, manche auch auf etwa 300 v. Chr.
Etwa um 100 v. Chr. schrieb Sima Qian, einer seiner Chronisten, diese Biographie:
Sunzi, dessen Vorname Wu war, stammte aus dem Staate Qi. Sein Buch Die
Kunst des Krieges erregte die Aufmerksamkeit Helus, des Königs von Wu. Helu
sagte zu ihm: »Ich habe deine dreizehn Kapitel sorgfältig studiert. Darf ich
deine Theorie über die Führung von Soldaten einer kleinen Prüfung
unterziehen?«
Sunzi erwiderte: »Das dürft Ihr.«
Der König fragte: »Darf sich die Prüfung auch auf Frauen beziehen?«
Wieder stimmte Sunzi zu, und so wurden Vorbereitungen getroffen,
hundertachtzig Damen aus dem Palast zu holen. Sunzi teilte sie in zwei
Kompanien und stellte je eine der Lieblingskonkubinen des Königs an die
Spitze der Abteilungen. Dann ließ er sie alle einen Speer in die Hand nehmen
und sprach zu ihnen die Worte: »Ich nehme an, daß ihr den Unterschied
zwischen vorne und hinten und rechts und links kennt.«
Die Mädchen erwiderten: »Ja.«
Sunzi fuhr fort: »Wenn ich sage >Augen geradeaus<, dann müßt ihr nach vorn
blicken. Wenn ich sage >links um<, dann müßt ihr euch nach links drehen.
Wenn ich sage >rechts um<, dann müßt ihr euch nach rechts drehen. Wenn ich
sage >kehrt<, dann müßt ihr euch rechtsherum umdrehen.«
Die Mädchen hatten auch dies verstanden. Als damit die Befehle erklärt waren,
ließ er Hellebarden und Streitäxte ausgeben, um den Drill zu beginnen.
Dann gab er zu einem Trommelwirbel den Befehl: »Rechts um«, doch die
Mädchen brachen nur in Lachen aus.
Sunzi sagte geduldig: »Wenn die Kommandoworte nicht klar und deutlich sind,
wenn die Befehle nicht richtig verstanden werden, dann trifft die Schuld den
General.« Er machte mit dem Drill weiter und gab diesmal den Befehl »Links
um«, worauf die Mädchen abermals Lachkrämpfe bekamen.
Da sagte er: »Wenn die Kommandos nicht klar und deutlich sind, wenn die
Befehle nicht richtig verstanden werden, dann trifft die Schuld den General.
Doch wenn seine Befehle klar sind und die Soldaten dennoch nicht gehorchen,
dann ist es die Schuld der Offiziere.« Darauf gab er den Befehl, die
Anführerinnen der beiden Kompanien zu enthaupten.
Der König von Wu beobachtete das Geschehen vom Dach eines Pavillons aus,
und als er sah, daß seine Lieblingskonkubinen enthauptet werden sollten,
erschrak er sehr und schickte eilig die folgende Botschaft hinunter: »Wir sind
zufrieden mit der Fähigkeit Unseres Generals, die Truppen zu führen. Wenn
Wir dieser beiden Konkubinen beraubt werden, wird Unser Essen und Trinken
den Geschmack verlieren. Wir wünschen nicht, daß sie enthauptet werden.«
Sunzi erwiderte noch geduldiger: »Nachdem ich einmal die Ernennung Eurer
Majestät zum General der Streitkräfte erhalten habe, gibt es gewisse Befehle
Eurer Majestät, die ich, wenn ich als solcher handle, nicht akzeptieren kann.«
Und seinen Worten getreu ließ er die beiden Anführerinnen sofort enthaupten
und setzte die nächsten beiden als Anführerinnen an ihre Stelle. Daraufhin
wurde wieder die Trommel zum Drill geschlagen. Die Mädchen machten alle
Schritte, drehten sich nach rechts oder nach links, marschierten geradeaus oder
machten kehrt, knieten oder standen, und alles mit höchster Genauigkeit und
Gewissenhaftigkeit, und keine wagte, einen Laut von sich zu geben.
Dann schickte Sunzi einen Boten zum König und ließ ihm ausrichten: »Herr,
Eure Soldaten sind jetzt richtig ausgebildet, sie halten Disziplin und sind bereit
für die Inspektion durch Eure Majestät. Sie können zu jedem Zweck eingesetzt
werden, den ihr Herrscher im Sinn haben mag. Fordert sie auf, durch Feuer und
Wasser zu gehen, und sie werden sich nicht weigern.«
Doch der König erwiderte: »Der General soll den Drill einstellen und ins Lager
zurückkehren. Wir haben nicht den Wunsch, hinunterzugehen und die Truppen
zu inspizieren.«
Darauf erwiderte Sunzi ruhig: »Der König schätzt schöne Worte, doch er
vermag sie nicht in Taten umzusetzen.«
Da sah der König von Wu, daß Sunzi ein Mann war, der ein Heer zu führen
wußte, und ernannte ihn in aller Form zum General. Sunzi unterwarf im Westen
den Staat Chu und drang bis nach Ying, der Hauptstadt, vor; im Norden
versetzte er die Staaten Qi und Qin in Angst und Schrecken, und sein Ruhm
breitete sich unter den Lehnsfürsten aus. Und Sunzi hatte Teil an der Macht des
Königreiches.
So wurde Sunzi ein General des Königs von. Wu. Beinahe zwei Jahrzehnte lang blieben die
Armeen von Wu siegreich über ihre Erbfeinde, die Königreiche von Yue und Chu.
Irgendwann in dieser Periode starb Sunzi, und sein Herr, der König von Wu, fiel im Kampf.
Einige Jahre lang gehorchten seine Nachfolger den Anweisungen Sunzis und blieben
siegreich. Und dann vergaßen sie sie.
Im Jahre 473 v. Chr. wurden die Armeen von Wu geschlagen und das Königreich wurde
ausgelöscht.
Im Jahre 1782 wurde Die Kunst des Krieges von Vater Amiot, einem Jesuiten, ins
Französische übersetzt. Es gibt eine Legende, nach der dieses kleine Buch Napoleons
Schlüssel zum Erfolg und seine Geheimwaffe war. Gewiß gründete seine Taktik auf
Beweglichkeit, und Beweglichkeit ist eine der Eigenschaften, die Sunzi besonders betont.
Sicherlich benutzte Napoleon Sunzis Erkenntnisse zu seinem Vorteil, um den größten Teil
Europas zu unterwerfen. Erst als er Sunzis Regeln nicht mehr befolgte, wurde er geschlagen.
Die Kunst des Krieges wurde erst 1905 ins Englische übersetzt. Die erste Übertragung stammt
von P. F. Calthrop. Die zweite, die Sie hier lesen, ist von Lionel Giles und wurde ursprünglich
1910 in Shanghai und London veröffentlicht. Ich habe mir mit dieser Übersetzung einige
Freiheiten erlaubt, um sie verständlicher zu machen - jede Übersetzung aus dem alten
Chinesisch in eine andere Sprache ist in gewissem Ausmaß eine Frage des Standpunktes -,
und ich habe, der chinesischen Methode entsprechend, direkt nach den Passagen, auf die sie
sich beziehen, einige von Giles' Notizen eingefügt. Ich hoffe aufrichtig, daß Sie dieses Buch
mit Genuß lesen. Sunzi verdient es, gelesen zu werden. Ich würde Die Kunst des Krieges gern
als Pflichtlektüre für alle Offiziere und Mannschaften unserer Streitkräfte sehen, und
außerdem für alle Politiker, für alle Menschen, die in der Regierung arbeiten, auf allen
Hochschulen und Universitäten in der freien Welt. Wenn ich Oberbefehlshaber oder Präsident
oder Premierminister wäre, dann würde ich sogar noch weiter gehen: Ich hätte ins Gesetz
geschrieben, daß alle Offiziere, besonders alle Generäle, jährlich eine mündliche und
schriftliche Prüfung über diese dreizehn Kapitel abzulegen haben, wobei sie zum Bestehen
fünfundneunzig Prozent der Fragen richtig beantworten müssen - und jeder General, der nicht
besteht, würde automatisch und ohne Berufungsmöglichkeit entlassen, und alle Offiziere, die
durchfallen, würden automatisch degradiert.
Ich glaube wirklich, daß Sunzis Einsichten für unser Überleben äußerst wichtig sind. Sie
können uns den Schutz geben, den wir brauchen, damit unsere Kinder in Frieden und
Wohlstand aufwachsen.
Wir dürfen nicht vergessen, daß von alters her bekannt ist: » . . . das wahre Ziel des Krieges
ist der Frieden.«
JAMES CLAVELL
I. Planung
Sunzi sagt:
Die Kunst des Krieges ist für den Staat von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine
Angelegenheit von Leben und Tod, eine Straße, die zur Sicherheit oder in den Untergang
führt. Deshalb darf sie unter keinen Umständen vernachlässigt werden.
Die Kunst des Krieges wird von fünf konstanten Faktoren bestimmt, die alle berücksichtigt
werden müssen. Es sind dies: das Gesetz der Moral; Himmel; Erde; der Befehlshaber;
Methode und Disziplin.
Das Gesetz der Moral veranlaßt die Menschen, mit ihrem Herrscher völlig übereinzustimmen,
so daß sie ihm ohne Rücksicht auf ihr Leben folgen und sich durch keine Gefahr erschrecken
lassen.
Himmel bedeutet Nacht und Tag, Kälte und Hitze, Tageszeit und Jahreszeit.
Erde umfaßt große und kleine Entfernungen, Gefahr und Sicherheit, offenes Gelände und
schmale Pässe, die Unwägbarkeit von Leben und Tod.
Der Befehlshaber steht für die Tugenden der Weisheit, der Aufrichtigkeit, des Wohlwollens,
des Mutes und der Strenge.
Methode und Disziplin müssen verstanden werden als die Gliederung der Armee in die
richtigen Untereinheiten, die Rangordnung unter den Offizieren, die Behauptung der Straßen,
auf denen der Nachschub zur Armee kommt, und die Kontrolle der militärischen Ausgaben.
Diese fünf Faktoren sollten jedem General vertraut sein. Wer sie kennt, wird siegreich sein;
wer sie nicht kennt, wird scheitern.
Wenn du also die militärischen Bedingungen bestimmen willst, dann treffe deine
Entscheidungen auf Grund von Vergleichen in folgender Weise:
Welcher der beiden Herrscher handelt im Einklang mit dem Gesetz der Moral?
Bei wem liegen die Vorteile, die Himmel und Erde bieten?
Auf welcher Seite wird die Disziplin strenger durchgesetzt?
Du Mu erwähnt die bemerkenswerte Geschichte des Cao Cao (155-220 n. Chr.),
der so nachdrücklich auf die Disziplin sah, daß er sich einmal, seinen eigenen
strengen Vorschriften gegen die Verwüstung erntereifer Felder entsprechend,
selbst zum Tode verurteilte, nachdem er zugelassen hatte, daß sein Pferd in ein
Kornfeld ausbrach. Doch er wurde überzeugt, nicht seinen Kopf zu opfern,
sondern sein Gerechtigkeitsgefühl damit zufriedenzustellen, daß er sich das
Haar abschnitt. »Wenn du ein Gesetz erläßt, dann achte darauf, daß es nicht
gebrochen wird; wenn es aber gebrochen wird, dann muß der Schuldige mit
dem Tode bestraft werden.«
Welche Armee ist die stärkere?
Auf welcher Seite sind Offiziere und Mannschaften besser ausgebildet?
In welcher Armee herrscht die größere Gewißheit, daß Verdienste angemessen belohnt und
Missetaten sofort geahndet werden?
Mit Hilfe dieser sieben Bedingungen kann ich Sieg oder Niederlage voraussagen. Der
General, der auf meinen Rat hört und nach ihm handelt, wird siegen ? belasse einem solchen
das Kommando! Der General, der nicht auf meinen Rat hört und nicht nach ihm handelt, wird
eine Niederlage erleiden ? einen solchen mußt du entlassen! Doch bedenke: Während du aus
meinem Rat Nutzen ziehst, solltest du nicht versäumen, dich aller hilfreichen Umstände, die
über die üblichen Regeln hinausgehen, zu bedienen und deine Pläne entsprechend anzupassen.
Jede Kriegführung gründet auf Täuschung. Wenn wir also fähig sind anzugreifen, müssen wir
unfähig erscheinen; wenn wir unsere Streitkräfte einsetzen, müssen wir inaktiv scheinen;
wenn wir nahe sind, müssen wir den Feind glauben machen, daß wir weit entfernt sind; wenn
wir weit entfernt sind, müssen wir ihn glauben machen, daß wir nahe sind.
Lege Köder aus, um den Feind zu verführen. Täusche Unordnung vor und zerschmettere ihn.
Wenn der Feind in allen Punkten sicher ist, dann sei auf ihn vorbereitet. Wenn er an Kräften
überlegen ist, dann weiche ihm aus. Wenn dein Gegner ein cholerisches Temperament hat,
dann versuche ihn zu reizen.
Gib vor, schwach zu sein, damit er überheblich wird. Wenn er sich sammeln will, dann lasse
ihm keine Ruhe. Wenn seine Streitkräfte vereint sind, dann zersplittere sie. Greife ihn an, wo
er unvorbereitet ist, tauche auf, wo du nicht erwartet wirst.
Der General, der eine Schlacht gewinnt, stellt vor dem Kampf im Geiste viele Berechnungen
an. Der General, der verliert, stellt vorher kaum Berechnungen an. So führen viele
Berechnungen zum Sieg und wenig Berechnungen zur Niederlage ? überhaupt keine erst
recht! Indem ich diesem Punkt Aufmerksamkeit widme, kann ich voraussagen, wer siegen
oder unterliegen wird.
II. Über die Kriegführung
Wenn ein Krieg geführt wird, wenn tausend schnelle Wagen im Felde sind, zehntausend
schwere Wagen und hunderttausend gepanzerte Soldaten mit genügend Vorräten, um tausend
li* weit zu ziehen, dann belaufen sich die Ausgaben zu Hause und an der Front, einschließlich
der Bewirtung von Gästen, der Ausgaben für kleine Dinge wie Leim und Farbe und für
Wagen und Waffen, auf eine Gesamtsumme von tausend Unzen Silber am Tag. Dies sind die
Kosten, wenn man eine Armee von hunderttausend Mann aufstellt
Wenn der Kampf tatsächlich begonnen hat und der Sieg lange auf sich warten läßt, dann
werden die Waffen der Männer stumpf und ihr Eifer wird gedämpft. Wenn du eine Stadt
belagerst, wirst du deine Kräfte erschöpfen, und wenn der Feldzug sich lange hinzieht,
werden die Schätze des Staates unter der Belastung schwinden. Vergiß nie: Wenn deine
Waffen stumpf werden, wenn dein Kampfesmut gedämpft wird, deine Kraft erschöpft und
dein Schatz ausgegeben ist, dann werden andere Anführer aus deiner Not einen Vorteil
schlagen. Kein Mann, wie weise er auch sein mag, kann abwenden, was darauf folgen muß.
Zwar haben wir von dummer Hast im Kriege gehört, doch Klugheit wurde noch nie mit
langen Verzögerungen in Verbindung gebracht. In der ganzen Geschichte gibt es kein
Beispiel dafür, daß ein Land aus einem langen Krieg Gewinn gezogen hätte. Nur wer die
schrecklichen Auswirkungen eines langen Krieges kennt, vermag die überragende Bedeutung
einer raschen Beendigung zu sehen. Nur wer gut mit den Übeln des Krieges vertraut ist, kann
die richtige Art erkennen, ihn zu führen.
Der fähige General befiehlt keine zweite Aushebung, und seine Vorratswagen werden nicht
mehr als zweimal beladen. Wenn der Krieg erklärt ist, verschwendet er keine Zeit, indem er
auf Verstärkung wartet, und er läßt seine Armee nicht kehrtmachen, um Vorräte
aufzunehmen, sondern er überschreitet ohne Verzögerung die Grenze des Feindes. Der
Zeitvorteil ? das heißt, dem Gegner ein wenig voraus zu sein, war häufig wichtiger als
zahlenmäßige Überlegenheit oder die schönsten Rechenspiele mit dem Nachschub.
Nimm Kriegsmaterial von zu Hause mit, doch plündere beim Feind. So wird die Armee
Nahrung haben. Wenn die Staatskasse leer ist, muß die Armee durch Opfer des Volkes
unterhalten werden. Wenn das Volk eine entfernte Armee unterhalten muß, verarmt es.
Andererseits läßt die Nähe einer Armee die Preise steigen; und hohe Preise nehmen den
Menschen ihre Ersparnisse. Wenn ihre Ersparnisse erschöpft sind, stehen ihnen schlimme
Auspressungen bevor. Wegen des Verlustes der Ersparnisse und der Erschöpfung ihrer Kraft
wird man die Häuser der Menschen vollkommen leeren, und ihr Einkommen schwindet.
Zugleich werden die Ausgaben der Regierung für zerbrochene Wagen, erschöpfte Pferde,
Brustharnische und Helme, Bogen und Pfeile, Speere und Schilde, Sturmdächer, Zugochsen
und schwere Wagen bis zur Hälfte der ganzen Steuereinnahmen steigen.
Ein weiser General achtet darauf, beim Feind zu plündern. Eine Wagenladung Vorräte vom
Feind entspricht zwanzig eigenen, und gleichermaßen ist ein einziges dan** von seinem
Futter zwanzig aus dem eigenen Vorratslager wert.
Nun muß, damit sie den Feind töten, der Zorn unserer Männer erweckt werden. Damit sie im
Schlagen des Feindes einen Vorteil erkennen, müssen sie auch Belohnungen bekommen.
Wenn du also beim Feind Beute machst, dann benutze sie als Belohnung, damit alle deine
Männer, jeder für sich, begierig sind zu kämpfen.
Wenn beim Kampf mit Wagen zehn oder mehr Wagen erbeutet werden, dann sollen die
belohnt werden, welche den ersten nahmen. Unsere eigenen Banner sollen die des Feindes
ersetzen, und seine Wagen werden in die unseren eingereiht und mit ihnen zusammen benutzt.
Die gefangenen Soldaten sollen freundlich behandelt und behalten werden. Dies bedeutet, die
unterworfenen Feinde zur Stärkung der eigenen Kraft zu benutzen.
Dein großes Ziel im Krieg soll der Sieg sein und kein langwieriger Feldzug. So kann es
heißen, daß der Anführer der Armeen der Schiedsrichter über das Schicksal des Volkes ist;
der Mann, von dem es abhängt, ob die Nation in Frieden oder in Gefahr lebt.
* 1,72 moderne li entsprechen einem Kilometer
** Chinesische Gewichtseinheit, die etwa sechzig Kilogramm entspricht.
III. Das Schwert in der Scheide
In all deinen Schlachten zu kämpfen und zu siegen ist nicht die größte Leistung. Die größte
Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen. In der
praktischen Kriegskunst ist es das Beste überhaupt, das Land des Feindes heil und intakt
einzunehmen; es zu zerschmettern und zu zerstören ist nicht so gut. So ist es auch besser, eine
Armee vollständig gefangenzunehmen, als sie zu vernichten, ein Regiment, eine Abteilung
oder eine Kompanie im ganzen gefangenzunehmen, statt sie zu zerstören.
Die höchste Form der militärischen Führerschaft ist, die Pläne des Feindes zu durchkreuzen;
die nächst beste, die Vereinigung der feindlichen Streitkräfte zu verhindern; die nächste in der
Rangfolge ist, die Armee des Feindes im Felde anzugreifen; und die schlechteste Politik,
befestigte Städte zu belagern, denn die Vorbereitung von Sturmdächern, beweglichen
Schutzwällen und verschiedenem Kriegsgerät erfordert drei volle Monate; und das
Aufschütten von Hügeln an den Stadtmauern erfordert weitere drei Monate. Der General, der
nicht fähig ist, seinen Zorn zu zügeln, schickt seine Männer gleich ausschwärmenden
Ameisen in den Kampf, und das Ergebnis ist, daß ein Drittel seiner Männer erschlagen wird,
während die Stadt unbesiegt bleibt. Dies sind die verhängisvollen Auswirkungen einer
Belagerung.
Der kluge Anführer unterwirft die Truppen des Feindes ohne Kampf; er nimmt seine Städte,
ohne sie zu belagern; er besiegt sein Königreich ohne langwierige Operationen im Felde. Er
wendet sich mit seinen Truppen gegen den Machthaber im feindlichen Königreich, und sein
Triumph wird vollkommen sein, ohne daß er einen Mann verliert. Dies ist die Methode, mit
einer Kriegslist anzugreifen, indem man das Schwert in der Scheide läßt.
Die Regel im Krieg ist: Wenn unsere Streitkräfte dem Feind zehn zu eins überlegen sind,
umzingeln wir ihn. Wenn wir fünf zu eins überlegen sind, greifen wir an. Wenn wir doppelt
so zahlreich sind, teilen wir unserere Armee, und ein Teil greift von vorn an, während der
andere ihm in den Rücken fällt; wenn er den Frontalangriff erwidert, kann er von hinten
zerschmettert werden; wenn er den Angriff aus dem Hinterhalt erwidert, kann er von vorn
zerschmettert werden.
Wenn die Kräfte gleich sind, können wir eine Schlacht erwägen. Wenn wir zahlenmäßig
leicht unterlegen sind, meiden wir den Feind. Wenn wir ihm in keiner Hinsicht gewachsen
sind, können wir ihn fliehen. Eine kleine Truppe kann den Feind zwar aufhalten, doch am
Ende wird sie von der größeren Streitmacht gefangengenommen.
Der General ist das Bollwerk des Staates: Wenn das Bollwerk überall fest ist, bleibt der Staat
stark. Wenn das Bollwerk mangelhaft ist, wird der Staat geschwächt. Es gibt drei Arten, auf
die ein Herrscher seiner Armee Unglück bringen kann:
Wenn er der Armee den Sturm oder Rückzug befiehlt und die Tatsache nicht bemerkt, daß sie
nicht gehorchen kann. Dies nennt man die Armee in Kalamitäten bringen.
Wenn er versucht, eine Armee auf die gleiche Weise zu führen, wie er ein Königreich regiert,
und die Bedingungen nicht erkennt, die in einer Armee vorherrschen. Dies macht die Soldaten
unruhig. Menschlichkeit und Gerechtigkeit sind die Prinzipien, nach denen ein Staat geführt
wird, doch nicht die Armee; Opportunismus und Flexibilität dagegen sind militärische, keine
zivilen Tugenden.
Wenn er die Offiziere seiner Armee ohne Unterschied einsetzt und das militärische Prinzip
der Anpassung an die Umstände vernachlässigt. Dies erschüttert das Selbstvertrauen der
Soldaten.
Sima Qian ergänzte diesen Abschnitt um 100v. Chr. Folgendermaßen: Wenn ein
General das Prinzip der Anpassungsfähigkeit vernachlässigt, darf man ihm
keine bedeutende Position anvertrauen. Der fähige Anführer setzt den weisen
Mann, den tapferen Mann, den habgierigen Mann und den dummen Mann ein.
Denn der Weise Mann freut sich daran, Verdienste zu erwerben, der tapfere
Mann will seinen Mut im Kampf beweisen, der habgierige Mann sucht seinen
Vorteil, und der dumme Mann hat keine Furcht vor dem Tod.
Wenn die Armee ruhelos und mißtrauisch ist, werden die anderen Lehnsfürsten gewiß
Schwierigkeiten machen. Dies bedeutet, Anarchie in die Armee zu tragen und den Sieg
fahrenzulassen. Denn es gibt fünf wesentliche Voraussetzungen für den Sieg:
Siegen wird der, der weiß, wann er kämpfen muß und wann nicht.
Siegen wird der, der weiß, wie er mit überlegenen und unterlegenen Streitkräften verfährt.
Siegen wird der, dessen Armee in allen Rängen vom gleichen Geist beseelt ist.
Siegen wird der, der gut vorbereitet darauf wartet, den unvorbereiteten Feind anzugehen.
Siegen wird der, der militärisch fähig ist und nicht mit der Einmischung seines Herrschers
rechnen muß.
Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten
nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg,
den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst,
wirst du in jeder Schlacht unterliegen.
IV. Taktik
Die guten Kämpfer der Vergangenheit schlossen jede Möglichkeit einer Niederlage aus und
warteten dann auf eine Gelegenheit, den Feind zu schlagen. Es liegt in unserer Hand, uns vor
einer Niederlage zu schützen, doch die Gelegenheit, den Feind zu schlagen, gibt uns der Feind
selbst. Deshalb der Spruch: Man kann wissen, wie man siegt, ohne fähig zu sein, es zu tun.
Schutz vor der Niederlage verlangt eine defensive Taktik; die Fähigkeit, den Feind zu
schlagen, bedeutet, die Offensive zu ergreifen. In der Defensive zu beharren verrät
unzureichende Kräfte; anzugreifen einen Überfluß an Kraft.
Der General, der in der Verteidigung erfahren ist, versteckt sich in den tiefsten Höhlen der
Erde; wer im Angriff geschickt ist, fährt aus den höchsten Höhen des Himmels nieder. So
haben wir auf der einen Seite die Fähigkeit, uns zu schützen, und auf der anderen die
Möglichkeit, einen vollständigen Sieg zu erringen.
Den Sieg nur zu sehen, wenn er auch von allen anderen gesehen wird, ist kein Beweis
hervorragender Leistung. Und es ist kein Beweis hervorragender Leistung, wenn du kämpfst
und siegst und das ganze Königreich sagt: »Gut gemacht!« Wahre Vortrefflichkeit ist es,
insgeheim zu planen, sich heimlich zu bewegen, dem Feind einen Strich durch die Rechnung
zu machen und seine Pläne zu vereiteln, so daß zumindest der Tag ohne einen Tropfen
vergossenen Blutes gewonnen wird. Eine Spinnwebe zu heben, ist kein Beweis für große
Kraft; Sonne und Mond zu sehen, ist kein Beweis für ein scharfes Auge; den Lärm des
Donners zu hören, ist kein Beweis für ein gutes Ohr.
Die alten Weisen nannten den einen klugen Kämpfer, der nicht nur siegt, sondern sich
dadurch auszeichnet, daß er mit Leichtigkeit siegt. Seine Siege werden ihm aber weder den
Ruf der Weisheit noch den des Mutes einbringen. Denn soweit sie durch Umstände errungen
werden, die nicht ans Licht gekommen sind, wird die Allgemeinheit nichts von ihnen wissen,
und deshalb wird man ihn nicht wegen seiner Weisheit loben; und wenn sich der feindliche
Staat unterwirft, ehe ein Tropfen Blut geflossen ist, wird man ihn nicht für seinen Mut
rühmen.
Er gewinnt seine Schlachten, indem er keine Fehler macht. Keine Fehler zu machen ist die
Grundlage für die Gewißheit des Sieges, denn es bedeutet, einen Feind zu besiegen, der
bereits geschlagen ist.
So bringt sich der umsichtige Kämpfer in eine Position, die die Niederlage unmöglich macht,
und er versäumt nicht den richtigen Augenblick, den Feind zu schlagen. So sucht im Krieg der
siegreiche Stratege nur dann den Kampf, wenn der Sieg bereits errungen ist, wogegen einer,
der zum Untergang verurteilt ist, zuerst kämpft und danach den Sieg sucht. Eine siegreiche
Armee, die gegen eine geschlagene antritt, ist ein ganzes Pfund gegen ein einziges Korn auf
der Waagschale. Der Ansturm der siegreichen Streitkräfte ist wie das Hereinbrechen
aufgestauter Wasser in eine tausend Faden tiefe Schlucht.
Der vollendete Anführer hütet das Gesetz der Moral und achtet streng auf Methode und
Disziplin; so liegt es in seiner Macht, den Erfolg zu bestimmen.
Soviel zur Taktik.
V. Energie
Die Führung einer großen Streitmacht ist im Prinzip das gleiche wie die Führung einiger
weniger Männer: Es kommt nur darauf an, ihre Zahl aufzuteilen. Mit einer großen Armee
unter deinem Kommando zu kämpfen ist in keiner Weise anders als der Kampf mit einer
kleinen; es kommt nur darauf an, Zeichen und Signale festzulegen.
Benutze direkte und indirekte Manöver, um sicherzustellen, daß deine ganzen Heerscharen
der Wucht des feindlichen Angriffs unerschüttert widerstehen. Bei jedem Kampf kann die
direkte Methode angewendet werden, wenn die Schlacht beginnt, doch indirekte Methoden
sind nötig, um den Sieg sicherzustellen.
Richtig angewendete indirekte Taktiken sind unerschöpflich wie Himmel und Erde, endlos
wie das Gleiten von Flüssen und Strömen; wie die Bahnen von Sonne und Mond enden sie,
um von neuem zu beginnen; wie die vier Jahreszeiten vergehen sie und kehren wieder.
Es gibt nicht mehr als fünf Musiknoten, doch die Kombinationen dieser fünf lassen mehr
Melodien entstehen, als je gehört werden können. Es gibt nicht mehr als fünf Grundfarben,
doch kombiniert erzeugen sie mehr Schattierungen, als je gesehen werden können. Es gibt
nicht mehr als fünf Geschmacksrichtungen - sauer, scharf, salzig, süß und bitter -, doch ihre
Kombinationen ergeben mehr Geschmacksnoten, als je geschmeckt werden können.
In der Schlacht jedoch gibt es nicht mehr als zwei Angriffsmethoden - die direkte und die
indirekte -, doch diese zwei ergeben kombiniert eine endlose Reihe von Manövern. Die
direkte und die indirekte Methode gehen ineinander über. Es ist wie eine Kreisbewegung:
Man erreicht nie das Ende. Wer könnte ihre Kombinationsmöglichkeiten erschöpfen?
Der Ansturm von Truppen ist wie das Brausen eines Stroms, der auf seinem Weg sogar Steine
mitreißt. Die richtige Entscheidung gleicht dem wohlberechneten Herabstoßen eines Falken,
der zuschlägt und sein Opfer tötet. Deshalb ist ein guter Kämpfer schrecklich im Sturm und
rasch in seiner Entscheidung.
Energie kann mit dem Spannen einer Armbrust verglichen werden; die Entscheidung mit dem
Ziehen des Drückers.
Mitten im Toben und Wogen des Kampfes mag scheinbar Unordnung herrschen, wo doch
keine Unordnung ist; mitten in Verwirrung und Chaos mag dein Gefolge kopflos oder ziellos
erscheinen, und doch wird es vor der Niederlage geschützt sein. Vorgetäuschte Unordnung
erfordert perfekte Disziplin; vorgetäuschte Furcht erfordert Mut; vorgetäuschte Schwäche
erfordert Stärke. Die Ordnung unter dem Mantel der Unordnung zu verstecken ist einfach eine
Frage der Unterteilung; den Mut in scheinbarer Verzagtheit zu verbergen setzt schlummernde
Energie voraus; Stärke mit Schwäche zu maskieren ist eine Folge von taktischen Erwägungen.
Zhang You berichtet von Liu Bang, dem ersten HanKaiser (256-195 v. Chr.),
die folgende Anekdote: Da er wünschte, die Xiongnu zu zerschmettern, schickte
er Spione aus, um Berichte über ihre Lage zu bekommen. Doch die Xiongnu
waren gewarnt und verbargen sorgfältig alle ihre starken Männer und die gut
gefütterten Pferde und ließen nur kranke Soldaten und abgemagertes Vieh
sehen. Das Ergebnis war, daß die Spione dem Kaiser einmütig empfahlen,
sofort anzugreifen. Nur Lou Jing widersprach ihnen und sagte: » Wenn zwei
Länder in den Krieg ziehen, stellen sie für gewöhnlich ihre Stärke betont zur
Schau. Doch Eure Spione sahen nichts außer Alter und Krankheit. Dies ist
gewiß eine List des Feindes, und es wäre unklug anzugreifen.« Doch der Kaiser
verwarf seinen Rat, ging in die Falle und wurde bei Bodeng umzingelt.
Wer also das Geschick besitzt, den Feind in Atem zu halten, baut Täuschungen auf, die den
Feind zum Handeln veranlassen. Er opfert etwas, damit der Feind danach greift. Indem er
Köder auslegt, hält er ihn in Bewegung; und mit einer Truppe Schwerbewaffneter lauert er
ihm auf.
Im Jahre 341 v. Chr. schickte der Staat Qi, der mit Wei im Kriege lag, Tian Qi
und Sun Bin gegen General Pang Zhuan, einen persönlichen Todfeind von Sun
Bin, ins Feld. Sun Bin sagte: »Der Staat Qi ist für seine Feigheit traurig
berühmt, und deshalb verachtet uns unser Gegner. Laßt uns diesen Umstand zu
unserem Vorteil nutzen.« So gab er, als die Armee die Grenze von Wei
überschritten hatte, den Befehl, am ersten Abend hunderttausend Feuer zu
entzünden, am zweiten fünfzigtausend und am folgenden Abend nur noch
zwanzigtausend. Pang Zhuan, der ihnen erbittert nachsetzte, sagte sich: » Ich
wußte, daß diese Männer von Qi Feiglinge sind; ihre Zahl ist bereits um mehr
als die Hälfte geschrumpft.« Auf seinem Rückzug erreichte Sun Bin einen
Engpaß, den die Verfolger seiner Schätzung nach spät am Abend erreichen
würden. Er ließ einen Baum abschälen und ritzte folgende Worte ins Holz:
»Unter diesem Baum wird Pang Zhuan sterben.« Dann, als die Nacht sich
senkte, stellte er in einem nahegelegenen Hinterhalt eine starke Abteilung
Bogenschützen auf und gab Befehl, sofort zu schießen, wenn sie ein Licht
sahen. Als Pang Zhuan später zu diesem Ort kam, sah er den Baum und
entfachte ein Licht, um zu lesen, was auf dem Baum geschrieben stand. Sein
Körper wurde sofort von zahllosen Pfeilen durchbohrt und seine ganze Armee
in Verwirrung versetzt.
Der kluge Kämpfer achtet auf die Wirkung der kombinierten Energie und verlangt nicht
zuviel vom einzelnen. Er zieht individuelle Talente in Rechnung und benutzt jeden Mann,
seinen Fähigkeiten entsprechend. Er verlangt von Unfähigen keine Perfektion. Wenn er die
kombinierte Energie benutzt, wirken seine kämpfenden Männer wie rollende Baumstämme
oder Felsen. Denn es ist die Natur eines Baumstammes oder Steins, reglos auf ebenem Grund
zu liegen und zu rollen, wenn er auf einen Abhang gerät; wenn er viereckig ist, bleibt er
wieder liegen, doch wenn er rund ist, rollt er hinab. So ist die von guten Kämpfern
entwickelte Energie wie der Schwung eines runden Steins, der einen tausend Fuß hohen Berg
hinunterrollt. Soviel zum Thema Energie.
VI. Schwache und starke Punkte
Benutze die Wissenschaft der schwachen und starken Punkte, damit der Vorsturm deiner
Armee den Feind trifft, als würde ein Mahlstein auf ein Ei treffen. Wer als erster auf dem
Felde ist und das Kommen des Feindes erwartet, der ist für den Kampf ausgeruht; wer als
zweiter aufs Feld kommt und zur Schlacht eilt, der trifft erschöpft ein.